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Christian Hussel: Jetzt bin ich sogar UNESCO-Welterbe!

Jetzt bin ich sogar UNESCO-Welterbe! Erfahren Sie jetzt mehr über das Reiseabenteuer von Christian Hussel in unserem Reiseblog.

Dieser Artikel ist ein Beitrag für den Enchanting Travels Blogger Award 2017. Mit diesem möchten wir alle Bloggerinnen und Blogger unterstützen, die unsere Leidenschaft teilen und über die kleinen und großen Abenteuer in fernen Ländern berichten. Hier in unserem Reiseblog veröffentlichen die besten Einsendungen. Der Gewinner wird per Abstimmung auf unserer Facebookseite bestimmt.

Jetzt bin ich sogar UNESCO-Welterbe!

November. Im Art Space_Yeonhui arbeite ich an neuen Hörspielmanuskripten. Ich bin jedoch auch viel in Seoul und Umgebung unterwegs. Überall begegnet man mir freundlich und zuvorkommend. Mit einer Ausnahme: Als bärtige Langnase werde ich ständig fotografiert. Auf besonders dreiste Fotografen lege ich indes selbst die Kamera an. Immerhin lächle ich dabei freundlich, wegen des möglichen Gesichtsverlusts der Kontrahenten.

Deutsche gelten als pedantisch, ordentlich, zuverlässig. Auf Südkoreaner trifft all dies weit stärker zu. Das beginnt schon bei der Passkontrolle auf dem Flughafen, wo sich Einreisende präzise hintereinander auf entsprechende Markierungen stellen müssen. Alsdann wird fotografiert, werden elektronisch Fingerabdrücke genommen. Der Fieber-Scan erfolgt bereits auf dem Weg zur Passkontrolle.

Auch auf den Bahnhöfen für den Flughafen-Express und an den Metro-Stationen bestimmen aufgetragene Fußspuren die exakten Wartepositionen. Zudem sind die Bahnsteigkanten durch Glasfronten gesichert. Züge halten zentimetergenau, dass sich Waggontüren und Glastüren der Bahnsteigabsperrung deckungsgleich bewegen. Südkorea hat eine der höchsten Suizid-Raten der Welt. Zumindest beim ÖPNV werden die Einwohner vor sich selbst geschützt.

Ich hörte bereits vom hohen Leistungsdruck sowie den strengen gesellschaftlichen Konventionen im Land. Tatsächlich treten sogar die Punks beim Konzert im „Skunk“ in Mullae dezent auf. Zwar ist die Musik ziemlich laut, aber keiner raucht im Club, keiner ist betrunken, keiner tanzt Pogo. Chaotisch wirkt eigentlich nur eines in Seoul: der Straßenverkehr. Und vor den „Quick-service“-Drivern auf ihren Scootern und Bikes kann man wirklich bloß flüchten.

Ich erkunde also zu Fuß, mit Bus, Metro und Eisenbahn die Umgebung. Ich besichtige zahllose Paläste, Königsgräber und Museen, steige über alte Stadt- und Festungsmauern. Was ich an neuer Architektur sehe, wirkt gewaltig. Vergleichbare Wohnhochhäuser mit bis zu 50 Etagen begegneten mir nirgends in Europa. Auch der Nah- und Fernverkehr funktioniert effizienter als daheim. Der KTX fährt wesentlich schneller als der ICE; außerdem verbeugt sich der Schaffner beim Betreten und Verlassen jedes Waggons. Der Hangang ist breiter als der Rhein, von Elbe oder Elster ganz zu schweigen. Das Bildungssystem stellt höchste Anforderungen. Südkorea scheint ständig auf der Jagd nach Superlativen. Selbst die Wildenten am Flussufer wirken irgendwie fetter als ihre mitteleuropäischen Artgenossen.

In vielen Speisegaststätten hängen Saugrohre von Geruchsabsorbern über den Tischen. Die Chopsticks sind inzwischen aus Edelstahl und nur noch beim Straßengrill aus Holz. Seoul und das engere Umland bilden mit über 25 Millionen Bewohnern die zweitgrößte Metropolregion der Welt. Das Laternenfest am Cheonggyecheon-Fluss wirkt weit kitschiger als jeder Martinstag-Umzug. Überall gibt es moderne, saubere und kostenlose öffentliche Toiletten. Sogar die Wettervorhersage stimmt zumeist. Zwei Einschränkungen finde ich immerhin: Der Lotte World Premium Tower wartet seit Jahren auf seine Fertigstellung. Und die Edelstahlsitzmulden in der Metro Linie 2 sind zwar beheizt, aber selbst für asiatische Hintern ausgesprochen eng.

Große aufblasbare Figuren für Kinder in Südkorea

Ich unternehme auch längere Fahrradausflüge entlang des Hangang und des Hongjaecheon. Die Fahrradausleihe ist kostenlos und die breiten, korrekt markierten Radwege an den Flussufern erinnern an Amsterdam. Noch sind in Seoul relativ wenige Radfahrer unterwegs. Aber schon zeigen sich die für Europa typischen Hochleistungs-Freizeitradler im zünftigen Outfit. Die Räder selbst gelten eher als Fitness- oder Lifestyle- denn als Gebrauchsgegenstände. Manche spielen sogar Musik. Die Verstärkeranlage, in die das Smartphone dazu eingestöpselt wird, steckt im Flaschenhalter.

Musik wird überhaupt gern gehört. Meist lässt man auch die Nachbarn teilhaben. Einmal bemerke ich einen Herrn mit Kopfhörern, der in der Metro seine Taschenlampe als Mikrofon zum Mitsingen nutzt. Ein andermal tänzelt ein weißhaariger Cowboy an der Ampel zum K-Pop, der aus seinem Mantel wummert. An den Ufern der inmitten der Stadt freigelegten Flussläufe wird über kilometerlange Strecken Sinfonik eingespielt.

Aber die Smartphones! Egal wie voll das jeweilige Verkehrsmittel ist, 99% der Fahrgäste sind mit ihren Smartphones beschäftigt. Bei Fahrgästen, die nicht online sind, handelt es sich meist um Ausländer gleich mir. Bezogen auf die Einwohnerzahl hat Südkorea den höchsten Prozentsatz an Internet-Nutzern weltweit. Ein „konventionelles“ Handy sehe ich während meines vierwöchigen Aufenthalts nirgends.

Außerdem ist Südkorea uneingeschränkt Selfie-Land. Eigentlich dürfte kein Reiseführer herkömmlich bebildert sein, stattdessen müssten die Autoren auf allen Fotos vor den beschriebenen Sehenswürdigkeiten posieren. Mir fällt dazu Kurt Buchwalds weltweite Aktion „Fotografieren verboten!“ ein.

Ungewohnt ist auch, dass überall im öffentlichen Raum Fitnessgeräte installiert sind: an Flussufern, in Parks, sogar an Aussichtspunkten oder Bushaltestellen. Geräte, die tatsächlich genutzt werden, vor allem von Älteren. Selbst ich berühre hin und wieder ehrfurchtsvoll solch Teil, überlege, wie es zu bedienen sei. Genial finde ich die Kombination von Fitnessparks mit Kinderspielplätzen. Während der Nachwuchs herumtollt, optimieren die Eltern ihre Körperfunktionen. Und die Kids sehen frühzeitig, was die Gemeinschaft später von ihnen erwartet. Bei uns deutschen Traditionalisten läuft es noch anders herum: Die Eltern müssen gemeinsam mit ihrem Nachwuchs im Sandkasten buddeln. Und sich mit anderen Vätern und Müttern unterhalten.

Frau in Fitnessgerät in einem Park in Seoul, Südkorea

Einer meiner Tagesausflüge führt mich zum Unification Observatory Odusan. Ich blicke durch stark vergrößernde Ferngläser nach Nordkorea. Sehe das dort errichtete Potemkinsche Dorf. Der Blick über die koreanische Grenze gleicht einem Blick in meine eigene Vergangenheit. So wie Westberliner ehedem von Aussichtsplattformen über die Mauer auf mich „DDR“-Bürger schauten, starre ich nun auf die nordkoreanischen „Kommunisten“. Ich verspüre dabei ebenso große Neugier wie Scham.

Wenn ich nicht unterwegs bin, arbeite ich in meinem Appartement im Autorenquartier, einer großzügigen Anlage mit mehreren Flachbauten auf einem parkähnlichen Areal, einem Ruhepol in dieser quirligen Stadt. Und seit ich in der Residency-Bibliothek die „Meditation über Frauen“ von Song Kiwon fand und las, worin ständig Makgeolli getrunken wird, trinke ich ebenfalls traditionellen, trüben Reiswein beim Schreiben. Mein Geheimtipp. Manchmal besorge ich mir aber auch zwanzigprozentigen Blütenwein mit aufgedrucktem Frauenporträt und Kennzeichnung als „Happy Water“. Den im Keller meines Hauses befindlichen Fitnessraum – mit Laufband, Gewichthebebank, Ergometer usf. – suche ich hingegen äußerst selten auf.

In Südkorea bin ich telefonisch nicht erreichbar, da mein europäisches Handymodell selbst mit hiesiger SIM-Karte einfach nicht funktioniert. Doch bedeutet dies keineswegs, dass niemand mit mir kommuniziert. Unterwegs werde ich ständig angesprochen. Die T-Money-Card-Automaten des Verkehrsverbunds reden zu mir, viele Bushaltestellen und alle Busse, manche Ampeln, mitunter sogar Rolltreppen. Obwohl ich denen wiederholt gesagt habe, dass ich sie nicht verstehe.
Dann ist da noch dieser Geruch. Nach Rettich. Plötzlich steht der stechend scharf im Bus oder im Metro-Abteil. Ich selbst esse in Seoul häufig Rettich. Rettich und Chinakohl sind offenbar koreanische Grundnahrungsmittel. Beide sind auch Hauptbestandteil des berühmten Kimchi. Doch der Ursprung des Rettich-Geruchs im ÖPNV wird für mich immer ein Rätsel bleiben.

In knapp einer Woche will ich mit zweitägigem Kuala-Lumpur-Zwischenstopp nach Nepal weiterreisen, wo ich eine Schreibklause im Patan Museum beziehen werde, dem alten Königspalast von Lalitpur. Vor meiner Abreise beschert mir besagtes Kimchi jedoch noch ein ganz spezielles Erlebnis. Das südkoreanische Tourismusbüro hat neben hunderten Seouler Bürgern auch 450 Ausländer zum „Seoul Kimchi Making & Sharing Festival“ geladen. Das alljährlich stattfindet, seitdem die UNESCO das kollektive Kimchi-Zubereiten 2013 auf die Liste des immateriellen Welterbes gesetzt hat. Selbstverständlich wird das Festival als Riesenspektakel auf dem Platz vor dem Rathaus inszeniert. Ich hatte mich online als Teilnehmer beworben und ward natürlich ausgewählt.

Gleich allen anderen Mitwirkenden erhalte ich leuchtend rote Schürze und Kopftuch, blaue Schuh- und weiße Ärmelschoner, lange rote Gummihandschuhe und einen Mundschutz. Dann stehe ich an einem der unzähligen Tische und stopfe die vorgefertigte scharfe, rote, rettichhaltige Füllung in angegorenen Chinakohl. Fernsehkameras filmen das Ereignis. Unter den Ausländern dominieren Chinesinnen; männliche Langnasen gleich mir sind selten. Wieder bin ich begehrtes Fotomotiv. Dann ertönt das berüchtigte „Gangnam Style“; eine zentral im Ausländerareal platzierte Jugendgruppe tanzt sofort synchron dazu. Und indem wir uns am Tisch gegenseitig mit Kimchi füttern, werde ich Teil des immateriellen Welterbes. Danke, Seoul! Für meine Arbeit als Hörspielautor wird mir solch Ehrung wohl nie zuteilwerden…

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